Ein erfolgreicher Crashtag

Wir haben es geschafft: Gestern wurden in der Flugwerft Oberschleißheim die zwei Crashtests für die Mü 32 und das Projekt NaSiCo aus Hannover gefahren. Nach inzwischen vier Jahren Projektlaufzeit und zehntausenden Werkstattstunden haben wir das Ergebnis unserer Arbeit in etwa zwei Sekunden an die Wand – oder besser: in den Boden – gefahren.

Wir haben viele Aufnahmen gemacht, und es werden nach und nach Videos erscheinen. In diesem Video, zum Beispiel, wird der Crashversuch in 90 Sekunden zusammengefasst:

Bereits am Montag wurde mit den Vorbereitungen begonnen: Unser Rumpf wurde mit einem LKW aus dem BMW-Werk in Aschheim angeliefert. In der vorigen Woche haben wir dort bereits die Messtechnik in den Rumpf eingebaut und die Systeme getestet. Die Details dazu sind im letzten Artikel zur Instrumentierung beschrieben.

Auch das Team aus Hannover kam mit ihrem Astir – inzwischen inklusive Nachrüst-Crashstruktur – angereist. Die letzten Arbeiten hierfür wurden sogar noch in unserer Werkstatt in Garching durchgeführt. Die Mü 32 stand ja bereits in Aschheim, also war ausreichend Platz vorhanden. Mehr zum Projekt NaSiCo findet ihr auf der Website der Hannoveraner unter https://www.akaflieg-hannover.de/

Till „Tiddels“ Lindner mit dem NaSiCo-Astir. Die nachträglich eingebauten Verstärkungsbalken sind gut zu erkennen.

Auch die zwei Autokräne der Firma Treffler und die Hardware für unsere Versuchsaufbau reisten am Montag an, und so machten wir uns an die Arbeit, unser Pendel-Setup testweise zu errichten und einzustellen. Unser Versuchsaufbau gleicht im Prinzip einer sehr großen Schaukel: Der vordere Kran hebt eine 12 Metter lange Traverse auf eine Höhe von 19 Meter an. Diese wird zu vier Seiten hin abgespannt, sodass die Traverse einen starren Aufhängepunkt in der Luft darstellt. Die Kranfahrer Thilo, Andy und Dejan machten einen Top-Job und hoben unsere Lasten präzise in die gewünschten Positionen. 

An dieser Traverse werden vier Seile angeschlagen, die den Seilen der Schaukel entsprechen. Die Pendelseile sind dabei so ausgelegt, dass der Rumpf in einem Winkel von 45° und mit einer Geschwindigkeit von 15 m/s aufschlägt (Zusätzlich ist beim Versuch der Mü 32 ein Schiebewinkel von 5° berücksichtigt, der sich aus der Zulassungsvorschrift CS 22.561 ableitet). An dieser „Schaukel“ wird der Rumpf an der Flügelersatzmasse eingehängt und am Heck hochgezogen.

Die Mü 32 direkt vor dem Loslassen. Foto: Eirik Albretsen
Der Versuchsaufbau. Foto: Simeon Schmauß

Nicht nur bei den Kränen, sondern auch für die Messtechnik wurden für diesen Versuch schwere Geschütze aufgefahren. Neben der Instrumentierung von BMW und mg-Sensor (wir berichteten) kamen gleich drei High-Speed-Kamerasysteme zum Einsatz: Die Firma me-go filmte den Versuch mit einem ARAMIS-System in zwei Bildausschnitten für die Auswertung per DIC (Digital Image Correlation). Diese Aufnahmen ermöglichen eine qualitative Bestimmung der Verformungen im vorderen Rumpfbereich. Zusätzlich wertete me-go die Rümpfe vor und nach dem Versuch per 3D-Scan aus.

Die Firma Imaging Solutions fertigte hochauflösende High-Speed-Bilder für die quantitative Untersuchung an. Mit zwei Perspektiven in 4 MP Auflösung und über 3.000 FPS kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. An dieser Stelle noch einmal einen besonderen Dank an Bernd, der uns die hervorragenden Bilder sogar kostenlos anfertigte! Last but not least brachten die Hannoveraner noch zwei Photron-High-Speed-Kameras mit, die den Versuch von der anderen Seite filmten und somit wertvolle Kontext-Informationen für die qualitative Auswertung bieten. Nachdem die Kamera- und Messtechniksysteme vorbereitet waren, mussten wir noch ein paar Regenschauer abwarten, bevor wir mit dem Hannoveraner Crash loslegen konnten. Um 12:55 war es dann so weit: Der Rumpf aus Hannover wurde angehoben, in Position bugsiert und ausgeklinkt. Nach erstem Eindruck haben wir die Einschlagsbedingungen gut getroffen. Der Überlebensraum ist noch recht gut erhalten geblieben, auch wenn die ursprüngliche Rumpf-Struktur an einigen Stellen schon recht große Risse aufweist. Das Knicken im Haubenrahmen ist auf die ursprüngliche GFK-Außenschale beschränkt, die Nachrüstlösung bleibt strukturell erhalten. Also auf jeden Fall kein schlechtes Verhalten. Ein endgültiges Fazit lässt sich aber natürlich erst nach einer vollständigen Auswertung aller Daten ziehen.  

Der Hannoveraner Astir-Rumpf beim Aufprall. Foto: Simeon Schmauß

Nach dem Aufschlag des Astir wurden alle Daten abgespeichert und der Rumpf aus allen Perspektiven sorgfältig fotografiert. Hierfür haben wir auch den Dummy und die Sitzschale wieder ausgebaut, um Schäden im Unterbau noch im Ursprungszustand zu dokumentieren. Nachdem das erledigt war, konnte der Rumpf zum 3D-Scanning abtransportiert werden. Wir haben die Crashfläche geputzt und die Mü 32 für ihren vorerst letzten Flug hervorgeholt.

Triggertests und Montage waren zügig erledigt, sodass wir bereits gegen 15:45 den zweiten Crash durchführen konnten. Auch hier hat der Versuchsaufbau gut funktioniert, auf den ersten Blick stimmen die Einschlagsbedingungen. Der Rumpf der Mü 32 wurde deutlich weniger beschädigt als der Astir, ein Knicken im Haubenrahmen trat nicht auf. Vermutlich sind die auftretenden Beschleunigungen sogar kritischer als die Integrität des Überlebensraumes. Aber auch hier lässt sich ein endgültiges Fazit erst nach Sichtung aller Daten ziehen.

Mü 32 beim Aufprall. Foto: Eirik Albretsen

Und an dieser Stelle möchte ich meinen Bericht schon beenden. Mir bleibt nur noch, mich bei allen am Versuch beteiligten Personen zu bedanken, insbesondere bei BMW und mg-Sensor, Imaging Solutions, me-Go und Treffler für die tatkräftige Unterstützung beim Crash. Bei allen Projektpartnern und Helfern für die hervorragende Zusammenarbeit und beim DLR und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für die Förderung unseres Projekts.

Joscha „Schnegge“ Löwe

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